In der Metaphysik lesen (BUCH VII (Z),
1031b 29 – 1032a 15)
Christian Zillner hat mir einen gedichtförmigen Text
zukommen lassen, der den Titel „Weiße Strahlung“ trägt und von einem
gottähnlichen Menschen spricht, der irgendwie aus den antiken Kulturen
hervorgegangen ist, wo er sich bereits als Erfinder der Erbschuld hervorgetan
hat. Irgendwann ist er weiß geworden – und dann auch immer nördlicher und
besser und hat die Sklaverei abgeschafft und das Dynamit erfunden sowie alles
andere.
Frage, ob es da einen Bezug gibt zu dem Prozeß des
Weiß-werdens im letzten Protokoll, der die Verschiedenheit von Wesensbestimmung
und Zusatzbestimmung aufhebt und somit eine Revision der Ontologie verspricht
(siehe 1031b 28). Lucie Strecker, heute zum ersten Mal bei uns, berichtet von
ihrem Blau-werden mittels einer Moretta muta, also einer venezianischen
Schweigemaske, die sie selber blau bemalt hat. Damit ist sie nicht zu einer
Enzianblume geworden, sondern eine Performerin in Aktion (aristotelisch:
Mimetikerin) und in eine andere Gattung eingetreten (gemäß der Losung von
Magritte).
In der Regel hält Aristoteles daran fest, dass ein Wesen
die möglichen begrifflichen Unterscheidungen zugunsten der Einheit
zurückstellt, während die platonische Auffassung jedes Ding und Wesen
aufspaltet bis hin zu einer „Paraexistenz“ (Thomas Buchheim). Was Kant mit
seiner Trennung zwischen Erscheinung und Ding an sich noch weitergetrieben hat
und die postkantischen Philosophien dahingehend extremisiert haben, dass sie
sich vom Wesen abwandten und sich in die Erscheinungen vertieften, die ungefähr
dem aristotelischen Einzelnen entsprechen.
Hier greife ich jetzt die Anregung von Wolfgang Koch auf,
die er mit dem Namen von Michel Onfray verbunden hat und die ich mit meinem
Namen verbinde, da ich mich besser kenne und da eine meiner Physiken den
Untertitel „Bausteine zu einer Philosophie der Erscheinungen“ trägt und
zunächst einmal das Erscheinen als Seinsweise analysiert. Folglich sind
ungefähr alle meiner Schriften der „Physik“ in einem weiten (und
aristotelischen) Sinn zuzurechnen, auch diejenigen zur Nacht und zur Romanik,
zum Untersberg und zu den Sternen, zum Geld und zu den Phallus-Collagen. In der
Konstitution der aristotelischen Philosophie bilden die Erscheinungen den Gegenpol
zum platonischen Pol: den protagoreischen (wie Thomas Buchheim hervorhebt).
Physik als Lehre von erscheinenden Körpern hat es weniger
mit den Seinsmodalitäten zu tun (die natürlich überall mitspielen), sondern mit
einem Realitätsbereich beziehungsweise mit mehreren Realitätsbereichen, wenn
man bestimmte Unterscheidungen ernstnimmt.
Es sind solche Unterscheidungen, wie sie Aristoteles
jetzt, im Abschnitt 7 von Buch VII, einführt. Im Vergleich zu den Büchern I bis
VI ziemlich neue Unterscheidungen – keineswegs neue im Vergleich zu seiner Physik.
Der den Unterschieden zugrundegelegte Begriff tritt in den
Versionen „gignomena“ und „gignetai“ - „entstehende“ und „entsteht“,
„werdende“ und „wird“ – auf. Diesen Begriff kann man den Seinsmodalitäten
zurechnen, obwohl er nicht unter den Kategorien auftaucht. Im Abschnitt 2 von
Buch IV ist er zusammen mit Vergehen, Beraubung, Weg zu den Kategorien
hinzugefügt worden. Man könnte auch sagen: eine Seinsmodalität, die den neueren
Ontologien nähersteht.
Aber die Unterschiede konstituieren hier drei
Realitätsbereiche: 1: Natur, 2: Kunst oder Technik, 3: Automatisches das
heißt, was von selber entsteht.
Walter Seitter
Sitzung vom 6. Dezember 2017
Nächste Sitzung am 13. Dezember 2017
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