τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Freitag, 8. Dezember 2017

 In der Metaphysik lesen (BUCH VII (Z), 1031b 29 – 1032a 15)


Christian Zillner hat mir einen gedichtförmigen Text zukommen lassen, der den Titel „Weiße Strahlung“ trägt und von einem gottähnlichen Menschen spricht, der irgendwie aus den antiken Kulturen hervorgegangen ist, wo er sich bereits als Erfinder der Erbschuld hervorgetan hat. Irgendwann ist er weiß geworden – und dann auch immer nördlicher und besser und hat die Sklaverei abgeschafft und das Dynamit erfunden sowie alles andere.

Frage, ob es da einen Bezug gibt zu dem Prozeß des Weiß-werdens im letzten Protokoll, der die Verschiedenheit von Wesensbestimmung und Zusatzbestimmung aufhebt und somit eine Revision der Ontologie verspricht (siehe 1031b 28). Lucie Strecker, heute zum ersten Mal bei uns, berichtet von ihrem Blau-werden mittels einer Moretta muta, also einer venezianischen Schweigemaske, die sie selber blau bemalt hat. Damit ist sie nicht zu einer Enzianblume geworden, sondern eine Performerin in Aktion (aristotelisch: Mimetikerin) und in eine andere Gattung eingetreten (gemäß der Losung von Magritte).

In der Regel hält Aristoteles daran fest, dass ein Wesen die möglichen begrifflichen Unterscheidungen zugunsten der Einheit zurückstellt, während die platonische Auffassung jedes Ding und Wesen aufspaltet bis hin zu einer „Paraexistenz“ (Thomas Buchheim). Was Kant mit seiner Trennung zwischen Erscheinung und Ding an sich noch weitergetrieben hat und die postkantischen Philosophien dahingehend extremisiert haben, dass sie sich vom Wesen abwandten und sich in die Erscheinungen vertieften, die ungefähr dem aristotelischen Einzelnen entsprechen.

Hier greife ich jetzt die Anregung von Wolfgang Koch auf, die er mit dem Namen von Michel Onfray verbunden hat und die ich mit meinem Namen verbinde, da ich mich besser kenne und da eine meiner Physiken den Untertitel „Bausteine zu einer Philosophie der Erscheinungen“ trägt und zunächst einmal das Erscheinen als Seinsweise analysiert. Folglich sind ungefähr alle meiner Schriften der „Physik“ in einem weiten (und aristotelischen) Sinn zuzurechnen, auch diejenigen zur Nacht und zur Romanik, zum Untersberg und zu den Sternen, zum Geld und zu den Phallus-Collagen. In der Konstitution der aristotelischen Philosophie bilden die Erscheinungen den Gegenpol zum platonischen Pol: den protagoreischen (wie Thomas Buchheim hervorhebt).

Physik als Lehre von erscheinenden Körpern hat es weniger mit den Seinsmodalitäten zu tun (die natürlich überall mitspielen), sondern mit einem Realitätsbereich beziehungsweise mit mehreren Realitätsbereichen, wenn man bestimmte Unterscheidungen ernstnimmt.

Es sind solche Unterscheidungen, wie sie Aristoteles jetzt, im Abschnitt 7 von Buch VII, einführt. Im Vergleich zu den Büchern I bis VI ziemlich neue Unterscheidungen – keineswegs neue im Vergleich zu seiner Physik.

Der den Unterschieden zugrundegelegte Begriff tritt in den Versionen „gignomena“ und „gignetai“ -  „entstehende“ und „entsteht“, „werdende“ und „wird“ – auf. Diesen Begriff kann man den Seinsmodalitäten zurechnen, obwohl er nicht unter den Kategorien auftaucht. Im Abschnitt 2 von Buch IV ist er zusammen mit Vergehen, Beraubung, Weg zu den Kategorien hinzugefügt worden. Man könnte auch sagen: eine Seinsmodalität, die den neueren Ontologien nähersteht.

Aber die Unterschiede konstituieren hier drei Realitätsbereiche: 1: Natur, 2: Kunst oder Technik,  3: Automatisches das heißt, was von selber entsteht.

Walter Seitter

Sitzung vom 6. Dezember 2017




Nächste Sitzung am 13. Dezember 2017

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