Wir kommen auf
den Vortrag zu sprechen, den vor kurzem Jens Hauser (Kopenhagen) in Wien
gehalten hat: „Biomedialiät und Medienkunst“. Er hatte mich davon informiert,
weil er meinem Buch Physik der Medien. Materialien Apparate Präsentierungen wichtige
Anregungen verdanke. Vor zwei Jahren organisierte er im Wiener
Naturhistorischen Museum eine Ausstellung unter dem Titel „Wetware – art agency
animation“ und wir fragen uns, was mit „wetware“ gemeint ist.
Der Begriff
wurde in Anlehnung an „hardware“ und „software“ gebildet und meint solche
Elemente oder Materialien, die zu drei Viertel aus Wasser bestehen – nämlich
das menschliche Gehirn, überhaupt Menschenwesen als Teil einer IT-Architektur.
Was ist IT?
Also
Mitarbeiter, Programmierer, Entwickler, Systemadministratoren – alle, die dafür
zuständig sind, dass die IT funktioniert. Zitat eines Projektmanagers: „Bevor
wir mit diesem Projekt weitermachen können, brauchen wir mehr wetware.“ Manchmal
werden die Nutzer von Hard- und Software ebenfalls mit diesem Begriff
bezeichnet.
Ich übersetze
jetzt einmal das englische Wort ins Aristotelische und sage dafür: „Mensch als zoon“.
Im Grunde ist
damit auch schon das „Subjekt“ genannt, welches vom genos im Abschnitt
28 des Buches V vorausgesetzt wird, näherhin eben fortgepflanzt wird.
Aristoteles
führt Beispiele an, aus denen hervorgeht, dass größere Menschheitsteile,
nämlich Völker, sich nach Personen benennen, von denen sie abstammen: die
Hellenen von einem gewissen Hellen, die Ionier von Ion; also Stämme von ihren
Stammvätern; er führt auch das Beispiel einer Stammmutter an; aber da kann er
kein Volk nennen; denn die Nachkommen der Pyrrha sind – bei ihm – die Menschen
überhaupt; immerhin nähert er sich bei diesem Beispiel zumindest dem Anschein,
es könnte auch von einer Frau die Weitergabe der genetischen Information
ausgehen.
Im übrigen ist
das gesamte Menschengeschlecht gegenüber einzelnen Völkern so etwas wie die
Gattung – womit die zweite, die logische Bedeutung von genos zum Zug
kommt. Diese Bedeutung wird hier anhand geometrischer Größen – Flächen und
Körper – vorgeführt und schließlich verweist Aristoteles auf die
Hauptunterscheidung in seiner Ontologie, die Unterscheidung zwischen Substanz und
Akzidenzien. Dabei greift er sogar auf die Terminologie der ersten
Ontologie-Gründung, also der Kategorien, zurück und spricht von den
verschiedenen Kategorien des Seienden. (1024b 13ff.) Unter dem Stichwort „das
Seiende“ hatte er im Buch V ebenfalls auf die Kategorienlehre verwiesen, dort
aber die Infinitivform „das Sein“ zum Terminus gemacht. (1017a 23ff.) Die
Unterscheidung zwischen dem Partizip Präsens und dem Infinitiv Präsens wird
Aristoteles schon bewusst vollzogen haben, er lädt sie aber nicht mit einer
riesigen Bedeutung auf (wie später dann Heidegger).
Obwohl diese
formalistischen Aspekte nur von begrenzter Wichtigkeit sind, kann man die
Tatsache, dass die Metaphysik auf die Frühschrift über die Kategorien
zurückgreift, in dem Sinn interpretieren, dass das Gesamtwerk des Aristoteles
jenseits besserer oder schlechterer Erhaltungszustände doch einige durchgehende
Züge aufweist.
PS.:
Arbogast
Schmitt, der mir von seiner Poetik-Kommentierung in deutlicher aber
nicht bester Erinnerung ist, hat nun ein großes Werk vorgelegt, das mit seinem
hohen Anspruch unser Interesse erwecken sollte.
Arbogast
Schmitt: Wie aufgeklärt ist unsere Aufklärung? Eine Kritik aus
aristotelischer Sicht (Heidelberg 2016)
Schmitt
versucht, den Erkenntnisbegriff des Aristoteles, seine spezifische Form von
Rationalität, herauszuarbeiten. Er bezeichnet sie als "präsentische"
Erkenntnisweise, welche sich direkt auf die Dinge richtet und die Unterschiede
zwischen diesen klarstellen will: "Eine jede Sache wird an ihrem Vermögen
(dynamis) und ihrer Leistung (ergon) erkannt und in dem, was sie ist,
unterscheidend bestimmt." Indem er diese Problematik durch die Geschichte
des Abendlandes weiter verfolgt, gelangt er zum Realitätsbegriff der Aufklärung
und meint, die Aufklärung habe eine mentale "Repräsentation"
favorisiert, die über die wahrgenommenen Dinge gelegt werde.
Schmitt
spricht der aristotelischen Position mehr Plausibilität und Evidenz zu und
sieht in ihr noch einen zusätzlichen Vorteil: sie könne eine Brückenfunktion in
der immer wichtiger werdenden Auseinandersetzung zwischen verschiedenen
Kulturen wahrnehmen - etwa der westlichen und der ostasiatischen.
Es trifft
sich, daß am kommenden Wochenende in Wien eine große Tagung stattfindet über
Philosophy of Nature
In Regard on
Neo-Aristotelism in All-Encompassing System of Knowledge
stattfindet, die
genau diese geopolitische Dimension mit über zwanzig Vorträgen aufspannt.
Natürlich
empfehle ich dringend den Besuch dieser Tagung.
Walter Seitter
Sitzung vom 18. Mai 2016 / Nächste
Sitzung am 1. Juni 2016