τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

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Sonntag, 15. Februar 2015

Nachtrag (Begriffe haben bestimmte Bedeutungen)

Ludwig Wittgenstein: „Wenn die Philosophen ein Wort gebrauchen – ‚Wissen’, ‚Gegenstand’, ‚Ich’, ‚Satz’, ‚Name’ – und das Wesen des Dinges zu erfassen trachten, muß man sich immer fragen: Wird denn dieses Wort in der Sprache, in der es seine Heimat hat, je tatsächlich so gebraucht? Wir führen die Wörter von ihrer metaphysischen wieder auf ihre alltägliche Verwendung zurück.“
Gewissermaßen ähnlich ist Heidegger vorgegangen, wenn er die philosophischen Begriffe, zumeist die griechischen, auf ihre etymologischen Wurzeln und deren Semantik zurückgeführt hat: logos auf legein, d. h. reden, aber ursprünglich – angeblich - sammeln als eine physisch-häusliche Tätigkeit.
Im frühen 20. Jahrhundert wirkte in Wien der Publizist, Schriftsteller und Dichter Karl Kraus (von dem sich Ludwig Wittgenstein inspirieren ließ) und eines seiner Anliegen war der Kampf gegen die „Phrase“: damit meinte er den Gebrauch hoher Worte, ohne genaue Vorstellung von ihrer Bedeutung (Signifikat und Referent), Sprachgebrauch ohne Vorstellungskraft bzw. Vorstellungsleistung. Und in diesem Sinne möchte ich mir die von Wittgenstein aufgestellte Empfehlung zu eigen machen (an ihn allerdings auch die Frage richtend, was er denn mit „metaphysisch“ meine) – und zwar speziell für unsere Aristoteles-Lektüre, mit der ja immer Übersetzen und Sprechen über das Gelesene verbunden ist. Dieses Sprechen sollte frei von „Phrasen“, von leeren Worthülsen sein. Dies umso mehr, als Aristoteles selber, wie wir eben bei seiner Behandlung der Begriffe physis oder „notwendig“ gesehen haben, vorgeht wie Wittgenstein empfiehlt: Ausgang von Alltagsbedeutungen, eventuell auch von Etymologien, der betreffenden Wörter. Aristoteles ist eben ein „analytischer“ Philosoph.
Von Karl Kraus beeinflusst war seinerzeit auch der junge Eric(h) Voegelin. Wie schon irgendwann erwähnt gehörte er in den Zwanzigerjahren in Wien zum „Geist-Kreis“ – einer national-ökonomisch und soziologisch ausgerichteten Parallelaktion zum „Wiener Kreis“. Diesem gehörte zwar Wittgenstein nicht direkt an, aber seine wegwerfende Verwendung des Wortes „metaphysisch“ mochte ihn mit ihm verbinden. Voegelin seinerseits hat jedenfalls in seinen späteren Jahren von der Philosophie des Wiener Kreises wenig gehalten und in den Darstellungen gilt er als Vertreter einer konservativen und beinahe religiösen Politik-Theorie. Es mag sein, daß diese Bezeichnungen etwas treffen. Aber auf der erkenntnistheoretischen Metaebene hat er sich scharf von allen Dogmatisierungen, philosophischen oder religiösen, distanziert und betont: es geht um Erfahrungen und die müssen symbolisiert werden und die Symbolisierungen können so oder so ausfallen, sie sollten möglichst differenziert sein: also präzis und nicht simplifizierend. Das heißt: es kann immer wieder bessere Symbolisierungen geben und bessere Symbolisierungen wirken sich wiederum auf die Verfeinerung von Erfahrungen aus. Mit den Begriffen „Erfahrung“ und „Symbolisierung“ gerät Voegelin in die Nähe der Sprache des Wiener Kreises (was ihm wohl nicht ganz entgehen konnte). In der ZEIT vom letzten Donnerstag (12. Februar 2015) erwähnt Bruno Latour Voegelins These (und Postulat) von der Differenzierung von Vorstellungen sowie Symbolen.
Um auf den zitierten Satz von Wittgenstein zurückzukommen: Was heißt „Wesen“ bei Aristoteles?

Walter Seitter

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