τὸ μὲν οὖν αἰσθάνεσθαι ὅμοιον τῷ ... νοεῖν.

Das Wahrnehmen nun ist ähnlich dem ... vernünftigen Erfassen.

Aristoteles (De Anima III, 7: 431a)

* * *

Donnerstag, 5. Februar 2015

In der Metaphysik lesen (1015a 20 – 33)

Nach physis ist „notwendig“ der nächste hier behandelte Begriff – im Unterschied zu den vorhergehenden durch ein Adjektiv vertreten, folglich gewiß einer anderen Kategorie zugehörig. Aber welcher?
Auch bei diesem Begriff nennt Aristoteles verschiedene Bedeutungen. Die erste wird durch Beispiele veranschaulicht, die jeweils eine Bedingung oder ein Mittel für eine erwünschte Zweckrealisierung darstellen: nützliche und daher gute Mittel. Für das Leben der Lebewesen, für die Erhaltung der Gesundheit oder für den Empfang einer Geldsumme (dafür wird beispielshalber als notwendige Bedingung eine Reise nach Ägina genannt – also nichts, was mit Natur zu tun hat; heutzutage könnte man den Besitz einer Kreditkarte und den Gang zu einem Bankomaten oder aber gute Beziehungen zu einer bestimmten Bank nennen). Im übrigen werden diese Mittel von Aristoteles auch als „ursächlich“ (genauer „mitursächlich“) bezeichnet – insofern schließen sie sich an die ersten vier Begriffe an.
Die zweite Bedeutung von „notwendig“ sieht sehr konträr aus: nämlich irgendeine Gewalt oder einfach irgendein Faktor oder eine Tatsache, die sich meinem Trieb, meinem Willen widersetzt – und zwar siegreich. Also mich zur Unfreiheit oder Erfolglosigkeit verdammt. Und daher – für mich – eine Niederlage, ein Unglück bedeutet. Auch hier ließe sich der Begriff „Ursache“ einführen: Ursache meines momentanen Scheiterns oder meiner dauernden Erfolglosigkeit.
Diese beiden Bedeutungen von „notwendig“ gehen also ins Praktische, ins Existenzielle. Ihre Darstellung kann auch Sache von Erzählungen sein: Historiographie, Dichtung. Davon war in der Poetik die Rede und Aristoteles zitiert eine Stelle aus Sophokles’ Elektra.

Walter Seitter


--

Sitzung vom 4. Februar 2015 

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen