Nach einem kurzen Rekapitulieren des Protokolls von
voriger Woche, kommen wir auf die dort ausgeführten Begriffe von Ursachen und
Prinzipien. Wir bemerken ihre antiquierte und auch archaisch anmutende Wirkung,
stellen aber fest, dass diese Bedeutungen in heutiger Zeit in einer anderen
Fassung nach wie vor relevant sind und wirken. Wir spüren dem Wort Ursache nach
und stellen folgendes fest: Ursache ist bei Kant: Bedingung der Möglichkeit.
Ursache ist bei Foucault: Bedingung der Wirklichkeit. Ursache ist bei Freud:
der Trieb.
Eine psychologische Ursache ist das Motiv. Von
besonderer Relevanz bei Aristoteles ist „Motiv“, da es mehr als ein bloßes
psychologisches Moment, nämlich auch eine Bewegungsursache ist. Bspw. ist das
Gute ein solches Motiv, welches alles anzieht, da alle Menschen, für sich, nach
ihm streben, und sich auf das Gute hinbewegen wollen. Bspw. ist auch das Beste
ein solches Motiv. 982b8 schreibt Aristoteles vom Besten in der ganzen Natur. Allerdings
ist uns auch dieser Satz von geringem Nutzen, wenn wir ihn nicht in unsere
Sprache übersetzen. Ein anderes Motiv wäre auch: Der Mensch strebt von Natur aus
nach Wissen. (Was übrigens nicht bedeutet: der Mensch strebt von Natur aus nach
Wissenschaft.)
Aristoteles
richtig lesen, stellen wir fest, bedeutet sein Werk in die heutige Sprache und
in die Begriffe der heutigen Wissenschaft zu übersetzen. Und zwar mit dem
ganzen Spektrum an möglichen Begriffen vor Augen, um Nachvollziehbarkeit und
Gültigkeit zu gewährleisten.
Aristoteles ist auf der Suche nach den fernsten
Ursachen, wohingegen sich die Einzelwissenschaften mit den naheliegenden
Ursachen auseinandersetzen. Das Fernste ist für Aristoteles vorrangig und
primär, während das Naheliegende nachrangig ist. Unter diesem Stern steht die
Metaphysik.
Wir kommen zum 3. Buch 1000 a 25 und b: Empedokles nennt
den Streit als Ursache des Entstehens und Vergehens. Nur ein Gott der Streit in
sich trägt kann Streit erkennen. Ein Gott ohne Streit wäre demnach ein
mangelhafter Gott, da sich Gleiches nur durch Gleiches erkennen lasse, und
dieser somit nicht erkennen würde. (Im Gegensatz zu heute: Wo erkennen durch
Unterschiede erfolgt.)
Empedokles entwirft also ein mögliches defizitäres
Gottesbild.
Hingegen sollen und können wir den Begriff „Gott“ bei
Aristoteles durch „göttlich“ ersetzen und in die Zone der ersten Ursachen
setzen. Dadurch gelingt ein aus heutiger Sicht völlig ungewöhnlicher
Zusammenschluss von Gott und Wissenschaft. Gott und Wissenschaft nämlich
schließen sich bei Aristoteles nicht aus. Angeblich, betonte Walter Seitter,
hätte Kant Gott und Wissenschaft mit dem unerkennbaren Ding an sich und der
unerkennbaren Seele des Menschen getrennt. Aber nur angeblich.
Es wäre jedenfalls eine große INNOVATION könnten wir
Wissenschaft mit Gott begreifen; sehen aber, dass wir das Wort und den Begriff
Gott, durch andere Wörter und Begriffe ersetzen müssten. Wir müssten das was
wir mit Aristoteles machen, mit Gott machen, nämlich diesen in die Gegenwart
übersetzen.
Mathias Illigen
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